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Die Störung der Geschäftsgrundlage

Der Grundsatz der Vertragstreue gilt auch bei öffentlichen Aufträgen. Nach dem Rechtssatz „pacta sunt servanda“, übersetzt: „Verträge sind einzuhalten“, müssen Leistungsversprechen auch dann eingehalten werden, wenn sich die Umstände ändern. Doch der Vertragstreuegrundsatz gilt nicht schrankenlos. Eine Ausnahme ist § 313 BGB, die Störung der Geschäftsgrundlage. In ihrem Artikel in der Fachzeitschrift „Vergabe Navigator“ in der Ausgabe 1/2022 setzen sich Rechtsanwalt Oliver Hattig und Rechtsanwalt Tobias Oest mit dem Rechtsinstitut auseinander.

Wenn keine Anpassungsklauseln im Vertrag festgehalten worden sind, bleibt bei einer Änderung der Umstände häufig nur der § 313 BGB, wenn es darum geht, für alle Beteiligten eine angemessene Lösung zu finden. Nach § 313 I BGB kann dann Anpassung des Vertrages verlangt werden, wenn sich Umstände, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind, nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert haben und die Parteien den Vertrag nicht oder mit anderem Inhalt geschlossen hätten, wenn sie diese Veränderung vorausgesehen hätten. Dies gilt aber nur, soweit einem Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der vertraglichen oder gesetzlichen Risikoverteilung, das Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann.

Erste Voraussetzung des § 313 I BGB ist also, dass der jeweilige Umstand Vertragsgrundlage geworden sein muss. Ferner muss zumindest eine Partei das Bestehen dieses Umstandes erkennbar bei Vertragsschluss vorausgesetzt haben. Für einen Bieter werden Bezugspreise und Stoffkosten regelmäßig zur Angebotsgrundlage. Für den Auftraggeber ist dieser Umstand aber nur dann erkennbar gewesen, wenn sie auch für ihn eine erkennbare Grundlage zur Kalkulation gewesen ist. Machen die Stoffkosten einen erheblichen Teil der anzunehmenden Angebotskalkulation aus, zum Beispiel weil Material in erheblichem Umfang vom Bieter eingekauft werden sollte, so sind sie als Kalkulationsgrundlage auch für den Auftraggeber erkennbar. Die Erkennbarkeit ist auch dann gegeben, wenn konkrete Punkte innerhalb eines Leistungsverzeichnisses benannt und bepreist werden sollen.

Zweite Voraussetzung des § 313 I BGB ist, dass sich der Umstand erst nach Abschluss des Vertrages geändert haben darf. Fehlkalkulationen im Vorfeld eröffnen nicht den Anwendungsbereich der Norm.

Daneben muss die Änderung auch schwerwiegend sein. Ob dies der Fall ist, kann nicht pauschal beurteilt werden. Auch die Rechtsprechung hat noch keine festen Schwellen festgelegt. Somit ist eine Abwägung im Einzelfall vorzunehmen. Grundsätzlich kann gesagt werden: Eine Änderung wird dann schwerwiegend sein, wenn die Annahme besteht, der von ihr betroffene Vertragspartner hätte den Vertrag bei Kenntnis dieser nachträglich eingetretenen Umstandsänderung zu anderen Konditionen oder gar nicht abgeschlossen. Geht es um eine Störung des Preis-Leistungs-Verhältnisses, so muss eine Störung in einem so beträchtlichen Ausmaß vorliegen, dass objektiv betrachtet, das Interesse der von der Änderung betroffenen Vertragspartei in keinster Weise mehr gewahrt ist. Berücksichtigt werden muss bei dieser Abwägung auch die Risikoverteilung, die durch Vertrag vereinbart werden kann oder aber dem Vertrag zugrunde liegt. Bei dem Angebot eines Materials, welches in seinen Beschaffungspreisen erheblich schwankt, ist demnach ein anderer Maßstab anzusetzen, als wenn der Bieter bei Angebotsabgabe berechtigt davon ausgeht, die Marktpreise würden konstant bleiben, etwa weil die Beschaffungspreise seit langer Zeit nur sehr geringen Schwankungen unterliegen.

Weiterhin darf dem benachteiligten Vertragspartner das weitere Festhalten am vereinbarten Vertrag auch nicht zumutbar sein. Auch das Vorliegen der Unzumutbarkeit kann nicht pauschal beurteilt werden. Es bedarf einer umfassenden Interessenabwägung. Zu berücksichtigen ist insbesondere die Frage, ob die Entwicklung im Gesamten vorhergesehen werden konnte und ob das weitere Festhalten an der vertraglichen Vereinbarung umfangreiche und dauerhafte oder eher vorrübergehende und geringfügige Auswirkungen hat. Auch die wirtschaftliche Lage der benachteiligten Vertragspartei und die Auswirkungen einer wie vereinbarten Vertragsausführung können maßgeblich für die Annahme der Unzumutbarkeit sein.

Liegen die genannten Voraussetzungen vor, so kann der benachteiligte Vertragspartner gem. § 313 I BGB Anpassung des Vertrages verlangen. Dies kann beispielsweise die Anpassung der Vergütung bedeuten, aber auch die Änderung von Aufträgen und Bauentwürfen, um kostenintensive Materialien einzusparen. Findet sich keine akzeptable Lösung, so kann als ultima raitio gem. § 313 III BGB vom Vertrag zurückgetreten werden. Zu beachten ist weiterhin, dass die Zulässigkeit einer Vertragsänderung zusätzlich vergaberechtlich zu prüfen ist.

Handschütteln von zwei Geschäftspartnern

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